Ägyptens Pionier für Bio-Baumwolle garantiert eine geschlossene Wertschöpfungskette

Die ägyptische Wirtschaft ist seit einiger Zeit mit drastischen Veränderungen konfrontiert, besonders seit der Revolution 2011. Im vergangenen Jahr kam es zu einem weiteren starken Einschnitt – durch drei aufeinanderfolgende Abwertungen der ägyptischen Währung stiegen die Preisen auf dem lokalen Markt sowie die Importkosten rasant an. Dies resultierte in einer starken Förderung der Export-Aktivitäten, von Seiten der ägyptischen Regierung, aber auch des öffentlichen und privaten Sektors.

Gleichzeitig entwickelte sich unter den drei betroffenen Parteien 2016 eine erfolgreiche Zusammenarbeit, die eine neue Chance für den Baumwollanbau, als eine von Ägyptens strategischen Nutzpflanzen, schaffen kann: Ägyptens Baumwollexporte stiegen in einem Jahr um 63,9%, wie die Zentrale Agentur für öffentliche Mobilisierung und Statistik ermittelte. Trotz dieser positiven Auswirkungen auf die Exportstrategie des Landes, ist die Ernte in einigen Gebieten in Ägypten immer noch hohen Mengen an Chemikalien und Pestiziden ausgesetzt.

Ägyptens Pionier für Bio-Baumwolle

SEKEM fördert seit Anfang der 1900er Jahre eine nachhaltigere landwirtschaftliche Anbaupraxis und trägt auch zu der Baumwoll-Strategie der Regierung bei. Dr. Ibrahim Abouleish, Gründer der SEKEM Initiative, gelang es mit seinem Forscherteam effiziente Methoden für den Baumwollanbau ohne den Einsatz von Chemikalien oder Pestiziden nachzuweisen. Dies führte zu einer Verfassungsänderung im Jahr 1993, wodurch die Verwendung von Pestiziden auf Baumwollfeldern um fast 90% reduziert wurde.

Heute kooperiert SEKEM mit rund 800 Vertragspartnern, die in ganz Ägypten biodynamische und biologische Landwirtschaftsmethoden anwenden. In diesem Jahr kultivieren 360 Bauern mehr als 370 Hektar (915 Feddans) Land mit Bio-Baumwollpflanzen. Die Höfe dieser Landwirte befinden sich hauptsächlich in den Regierungsbezirken Kafr El-Sheikh, Fayoum, Beheira und Damietta. Gemeinsam mit der Ägyptischen Vereinigung für Bio-Dynamische Landwirtschaft (EBDA) rechnet SEKEM in diesem Jahr mit einem Ertrag in Höhe von rund 1900 Tonnen.

Weil die Bauern mehr verdient haben

„Wir sind sehr froh, dass uns die geschulten landwirtschaftlichen Ingenieure der EBDA bei dem Prozess des biologischen Anbaus begleiten und beraten“, sagt Al-Sddiq Rashad, Leiter von 20 Vertragsbauern im Regierungsbezirk Damietta. Er ist erst vor kurzem zu SEKEM gekommen, nachdem er zuvor für ein anderes Unternehmen Bio-Baumwolle anbaute – eine eher problematische als gewinnbringende Zusammenarbeit als. Deshalb schätzt er SEKEMs Unterstützung ganz besonders. „Als ich zuletzt Bio-Baumwolle anbaute, hat sich keine der beteiligten Parteien wirklich um uns gekümmert, obwohl wir kaum Erfahrung mit der, für uns damals noch neuen Anbaumethode hatten. Das war sehr schwierig und enttäuschend. Die Zusammenarbeit mit SEKEM und der EBDA ist partnerschaftlich und wir fühlen uns als Teil einer Gemeinschaft. So bin ich dieses Jahr sehr zuversichtlich, dass wir unsere Bio-Baumwolle erfolgreich und gewinnbringend anbauen und vermarkten werden“, erklärt der neue SEKEM-Landwirt.

Al-Sddiq with some of the EBDA's Agricultural Engineers
Al-Sddiq mit den Landwirtschaftsingenieuren der EBDA

Alle 1.700 Mitarbeiter der SEKEM Initiative, sowie die Vertragsbauern, erhalten einen fairen Anteil des Gewinnes innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette SEKEMs. Wie eine 2015 veröffentlichte Studie von Oikocredit International bestätigt, bekommen SEKEMs Landwirte bedeutend höhere Gehälter als ihre konventionellen Kollegen. Darüber hinaus sorgt SEKEM für einen sicheren Abnahmemarkt, verlässliche Preise und zusätzlich soziale und kulturelle Entwicklungen. Dieses soziale Modell nennt SEKEMWirtschaft der Liebe“.

Bio-Textilien von SEKEM für die Welt

„Es war die Vision von Dr. Abouleish, den Zyklus des Bio-Baumwollanbaus zu erweitern und gesunde Textilien daraus zu produzieren, vor allem für Kinder“, sagt Konstanze Abouleish, die Geschäftsführerin von NatureTex, SEKEMs Firma für Bio-Textilien und Puppenproduktion. 1993 wurde NatureTex mit nur drei Maschinen und sechs Mitarbeitern gegründet. „Von Beginn an haben uns viele Menschen und Freunde unterstützt, zum Beispiel die deutschen Unternehmen Alnatura und dm-Drogeriemarkt und Under the Nile in den USA“, berichtet Abouleish weiter. So konnte NatureTex stetig wachsen. Heute hat das Unternehmen 80 Maschinen und beschäftigt über 200 Mitarbeiter.

NatureTex ist besonders für die Puppenproduktion bekannt und beliebt. „Vor langer Zeit bat mich Dr. Abouleish zu lernen, wie man Puppen aus Baumwollstoff per Hand herstellt“, berichtet Inge Marienfeld, die in den späten 1980er Jahren als Krankenschwester nach SEKEM kam und zunächst beim Aufbau von SEKEMs medizinischem Zentrum half. „Er brachte mir ein Buch aus Deutschland mit, in dem verschiedene Verfahren der Puppenherstellung beschrieben waren. Ich war erst etwas überrascht, dass er ausgerechnet mich damit beauftragte. Aber er behielt Recht, denn ich kann meine künstlerische Ader bei dieser Arbeit entfalten“, erzählt die langjährige SEKEM Mitarbeiterin. Inge Marienfeld ist mittlerweile 83 Jahre alt und immer noch stark in die Puppenproduktion involvier, indem sie alle neuen Entwicklungen initiiert.

NatureTex konnte in den vergangenen Jahren ein breites internationales Kundenspektrum aufbauen und exportiert 85% der Produktion. Die hochwertigen Bio-Baumwollprodukte werden entweder unter “NatureTex“, “Cotton People Organic“, “Organic Baby” oder privaten Labels wie “People Wear Organic” oder “Under The Nile” vermarktet.

SEKEMs geschlossene Wertschöpfungskette ist einzigartig

SEKEM fördert nicht nur eine nachhaltige Landwirtschaft in Ägypten seit 1977, sondern ist auch Ägyptens Pionier für Bio-Baumwolle. Besonders einzigartig ist die geschlossene Wertschöpfungskette, die SEKEM garantieren kann. Vom Landwirt bis zum Endverbraucher können die Bedingungen des gesamten Wirtschaftsprozesses bestimmt werden. Eine solch transparente und nachhaltige Baumwoll-Wertschöpfungskette ist nicht nur in Ägypten einzigartig, sondern auch weltweit nur äußerst selten zu finden. Aber genau das ist es was in SEKEMs Vision von 1977 gefordert wird: „Die Durchführung aller wirtschaftlicher Aktivitäten in Übereinstimmung mit ökologischen und ethischen Prinzipien.“ Dies kann als Rezept für die Entwicklung einer nachhaltigen Wirtschaft gesehen werden, die in der Lage ist, die Herausforderungen des Jahrhunderts zu bewältigen.

Christine Arlt/Noha Hussein

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