Susanne Mastalier in SEKEM

Alltägliches zu etwas Besonderem machen: Susanne Mastalier berichtet über ihre Erfahrung in SEKEMs heilpädagogischer Einrichtung

Susanne Mastalier ist Waldorfkindergärtnerin und engagiert sich sehr aktiv im österreichischen SEKEM Förderverein. Während einer SEKEM Reise, die von den SEKEM Freunden Österreich organisiert wurde, wurde sie gebeten die heilpädagogische Einrichtung in SEKEM für einige Zeit zu unterstützen. Ende September 2015 verbrachte Susanne Mastalier drei Wochen in SEKEM und konnte durch ihre langjährige Erfahrung viele neue Impulse setzen. Dafür dankt SEKEM ihr und den SEKEM Freunden Österreich ganz herzlich. Lesen sie hier ihren Erfarungsbericht.

Ende September fuhr ich mit dem Impuls nach SEKEM, dort die heilpädagogische Arbeit für drei Wochen zu unterstützen. Neue Lehrer sollten begleitet werden und Anregungen für ihre Arbeit erfahren.

Die heilpädagogische SEKEM Schule wird von insgesamt 36 Kindern und Jugendlichen besucht. Es gibt eine Landwirtschaftsgruppe unter der Leitung von „Uncle Ismail“, einem Bauern, und eine Werkgruppe, in der Ahmed Fawsy unterrichtet. Die drei Klassen der Heilpädagogik werden von Noura, Amany und Ahmed Hosary betreut. Mit ihnen habe ich hauptsächlich zusammengearbeitet. Sarah Abouleish und Hanan El Sayed leiten die Schule. Sie standen stets für Fragen zur Verfügung.

In der ersten Zeit hospitierte ich hauptsächlich, um mir ein Bild zu machen. Das war eine Herausforderung aber auch sehr spannend. Ich verstehe kein Arabisch und musste mich zunächst mit dem neuen Umfeld und den Menschen vertraut machen. Das dauerte seine Zeit, doch schon bald wurde die Situation für alle entspannter und vertrauter. Erste freundschaftliche Gespräche entstanden. Bei den Kindern ging das sogar noch rascher als bei den Erwachsenen. Es war bald klar, dass wir uns mochten und ich „dazugehörte“.

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Hanan El Sayed, die Leiterin der heilpädagogischen Einrichtung in SEKEM, während der Arbeit.

Kinder in der Heilpädagogik zu betreuen ist eine anstrengende aber auch eine sehr beglückende Arbeit! Empathiefähigkeit, Geduld und Humor sind dabei von großer Hilfe. Die Kinder kamen mir mit Offenheit und Neugierde entgegen. Alle machten auf irgendeine Weise auf sich aufmerksam und wenn sie nur Blickkontakt suchten. Wenn es einmal etwas unruhig wurde genügte eine kleine Geste, ein Lächeln oder Winken, und die Ruhe war wieder hergestellt.

Wortloses Verstehen

Es dauerte nicht lange bis – wo immer ich auftauchte – die Hand eines Kindes in die meine schlüpfte. Sagen konnte ich leider nicht viel, weil ich ihre Sprache nicht verstand – aber war das überhaupt so wichtig? Wir verstanden uns auch wortlos ganz gut.

Ich lernte die Kinder immer besser in ihren Fähigkeiten und Handicaps kennen und konnte beim Beobachten darüber nachsinnen, wie man sie am besten fördern und fordern kann. In der Mitte der drei Wochen gab es eine Besprechung mit dem ganzen Kollegium und ich konnte meine Wahrnehmungen und Vorschläge einbringen. Meine Erfahrungen als Waldorf-Kindergärtnerin waren hilfreich, um grundlegende Dinge im Tagesablauf zu thematisieren, wie beispielsweise Rhythmus, Rituale, Liebe zu den kleinen Dingen aber auch eine gewisse Strenge. Alle psychologischen Betrachtungen zur Heilpädagogik können nur dann zum Wirken kommen wenn zunächst die Grundlagen geschaffen wurden. Dabei sind beispielsweise die Mahlzeiten von großer Bedeutung.

Boden schaffen auf dem ein Kind vertrauensvoll stehen kann

Was gab es da nicht alles zu üben und zu lernen! Alles Alltägliche wurde zu etwas Besonderem – alles wurde immer wieder auf gleiche Art und Weise getan, sodass man sich darauf verlassen kann. Ein rhythmischer Tagesablauf, die rhythmische Gestaltung all dessen, was zu tun ist, das gibt dem Kind Sicherheit und bereitet den Boden, auf dem es vertrauensvoll stehen und lernen kann. Das prägt sich ein bis ins Physische. Liebe zu den kleinen Dingen des Alltags: Ordnung spielerisch einhalten und mit Sprüchen und Liedern begleiten. Bewusste, liebevolle, sorgfältige Gesten. Der Weg ist das Ziel und um das Ziel zu erreichen, muss ich mich mit dem Kind anstrengen.

Vertrauen haben und Stärken wie Schwächen akzeptieren

Durch mein Bemühen, taktvoll mit den Lehrern umzugehen, sie nicht an den Pranger zu stellen für das, was sie nicht so perfekt oder anders machen, ist es mir gelungen, ihr Vertrauen zu gewinnen. Wir können uns vorbehaltlos achten, frei von der Angst, angeklagt zu werden. Wichtig ist mir auch zu betonen, dass ich die Arbeit aller in SEKEM sehr schätze. In SEKEMs heilpädagogischer Einrichtung wird wirklich Großartiges geleistet. Kinder, und besonders behinderte Kinder saugen unaufhörlich an den Lebenskräften ihrer Erzieher, und daher ist es so wichtig, dass wir uns im Kollegium geborgen fühlen können und Vertrauen haben, dass wir einander in unseren Stärken und Schwächen ergänzen und gegenseitig helfen.

In den letzten Tagen erlebte ich viel Freude. Viele meiner Anregungen wurden aufgenommen. Die Mitarbeiter der heilpädagogischen Einrichtung in SEKEM und ich warfen uns leuchtende Blicke zu und freuten uns ohne viele Worte. Nach drei Wochen gemeinsamer Arbeit trennten wir uns in der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen.

Susanne Mastalier

 

Lernen sie Noura Nasser kennen, die in SEKEMs heilpädagogischen Einrichtung arbeitet
Filmportrait über die SEKEM Freunde Österreich