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Menschen in SEKEM: Hesham El Nagar

In den frühen Morgenstunden liegt das SEKEM Hotel, das wohl ästhetischste Gebäude der SEKEM Farm noch im dichten Nebel. Erst langsam, wenn die Sonne auf seine hohen gelb- und rotfarbigen Fenster scheint, erstrahlt es in seiner kompletten schlichten Schönheit. Aus der runden Eingangshalle, in deren Mitte sich ein duftender Frangipani-Baum in die offene Decke erhebt, tritt ein Mann mit stolzem Blick. Es ist Hesham El Nagar, Direktor des SEKEM Hotels.

Dezent und zurückhaltend hat der große attraktive Mann stets alles im Blick. Wenn es aber darauf ankommt, legt er auch selber Hand in der Küche an und macht klare Ansagen. „Mir ist es wichtig, dass meine Mitarbeiter und ich aus Fehlern lernen anstatt sie zu wiederholen. Und das wir ordentlich und systematisch arbeiten“, sagt der Chef des SEKEM Hotels. Und er weiß wovon er spricht. Hesham El Nagar leitet nicht nur das Hotel, er organisiert die komplette Gästebetreuung und kümmert sich um die Wohnhäuser und Cafeterien auf der SEKEM Farm. 30 Mitarbeiter arbeiten unter seiner Anleitung. Eine verantwortungsvolle und zeitaufwendige Aufgabe. Oft verbringt er Abende und Wochenenden auf der SEKEM Farm. Nicht tragisch, denn: „Ich liebe meine Arbeit und die Menschen hier“, so der langjährige Mitarbeiter.

Vom Koch zum Hoteldirektor

Dabei sah es zunächst so aus als würde Hesham einen ganz anderen Weg einschlagen. Seine Familie hat sich nämlich dem Schreinerhandwerk verschrieben. So sollte auch der junge Hesham zum Schreiner ausgebildet werden. In Dahab, einer ägyptischen Touristenstadt am Roten Meer, wo er seine Lehre machen wollte, kam er rasch mit der Hotelbranche in Berührung. Trotz Schichtdienst und langen Arbeitszeiten faszinierte ihn der Beruf und er ließ sich zum Koch ausbilden. Mit großem Elan arbeitete er bis in die späten Abendstunden und war auch dann noch fleißig wenn seine Kollegen längst nach Hause gegangen waren.

Als sein ältester Bruder nach Saudi Arabien auswanderte kehrte Hesham zurück in seine Heimatstadt, nahe der SEKEM Farm, um für seine Familie mit weiteren sechs Geschwistern da zu sein. Ein alter Freund lud ihn eines Tages nach SEKEM ein, gerade als die Cafeteria an der SEKEM Schule eröffnet wurde. Hesham wurde als Koch eingestellt – vor heute 21 Jahren. Nach und nach entstanden immer mehr Institutionen und Heshams Verantwortung wuchs mit. Er gab seine Tätigkeit als Koch auf, wurde zunächst zum Organisator der verschiedenen Cafeterien und dann zum Leiter der kompletten Gästebetreuung.

Fehlende Inspiration

Mit SEKEMs Wachstum stieg auch das Interesse an der Farm. Immer mehr Menschen wollen SEKEM besuchen, brauchen also Unterkunft und Verpflegung. Hesham setzte sich mit SEKEM Gründer Dr. Ibrahim Abouleish zusammen und beschloss 2010 ein Hotel zu errichten. Gemeinsam planten sie den Bau und die Organisation: 37 Zimmern, ein großer Speisesaal, ein Konferenzraum und zwei Gesellschaftsräume umfasst die beliebte SEKEM-Unterkunft heute. Gäste aus der ganzen Welt schätzen den schlichten Komfort und den guten Service.

Hesham versteht gut, dass SEKEM so viele Menschen anzieht: „Eigentlich sollte die ganze Welt einmal nach SEKEM kommen und von Dr. Ibrahim Abouleish lernen.“ Der 44-Jährige Familienvater beobachtet immer wieder die Missstände in seinem Heimatort. „Die Menschen laufen durch die Straßen, reden über Veränderung aber nichts geschieht“, sagt Hesham. „Sie haben keinen Anreiz sich zu ändern, sie haben keine Inspiration. Und sie sind in ihren Ansichten komplett festgefahren.“ Ganz anders als in SEKEM. „Hier nehmen wir Rücksicht aufeinander. Wir tauschen uns aus und versuchen jeden Tag etwas zu verändern und besser zu machen.“

“Jeder einzelne von uns hat die Möglichkeit und sogar Verantwortung, Veränderung herbeizuführen.”

Diese und ähnliche Werte versucht Hesham auch seinen drei Söhnen zu vermitteln. Er geht sogar ab und zu in die Schule seiner Kinder und gibt den Lehrern Anregungen, was sie ändern können, um das festgefahrene staatliche System zu erweitern und den Schülern mehr Inspiration mit auf den Weg zu geben – ganz so wie er es in den SEKEM Bildungseinrichtungen miterlebt. „Ich hatte früher selber kaum Ambitionen etwas zu verändern“, verrät Hesham. „Mittlerweile denke ich, dass wir das Gute, das uns wiederfährt, weitertragen sollten. Wir müssen auf andere Menschen zugehen, mit ihnen diskutieren und versuchen sie zu überzeugen, dass jeder einzelne die Möglichkeit und sogar Verantwortung hat, Veränderung herbeizuführen.“

Das wünscht sich Hesham El Nagar auch für die Zukunft: Jeden Tag neu nutzen zu können und einen Wandel in der Gesellschaft zu unterstützen. „Meine Kinder müssen keinen hohen Universitätsabschluss machen, sie sollen vielmehr lernen sich ihre eigene Meinung zu bilden und Dinge zu hinterfragen. Ein Zertifikat macht aus ihnen noch keine selbständigen Menschen, die ihre Probleme selber zu lösen wissen“, berichtet der SEKEM Hoteldirektor. Dabei sei ein gutes soziales Netzwerk von Bedeutung: „Arbeit, Freunde oder Familie – wenn einer dieser Stränge reißt, ist es wichtig, dass die anderen stark genug sind, den gebrochenen für eine Weile mitzutragen.“

Hesham El Nagar hat in SEKEM viel über die Welt und das Leben gelernt: Von Dr. Abouleish, seinen Kollegen und Besuchern aus der ganzen Welt. Er ist stets fokussiert auf seine fordernde Arbeit und Verantwortung – aber wenn er den Gästen sein seltenes Lächeln schenkt, dann leuchten seine schönen Augen ähnlich wie die Fassade des SEKEM Hotels in den Strahlen der Morgensonne.

Christine Arlt

Das SEKEM Hotel
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