Menschen in SEKEM: Thoraya Raafat Seada

Thoraya Seada ist ein wunderbares Beispiel für die Willenskraft und Stärke der ägyptischen Frauen. In einer Gesellschaft, die heutzutage stark von Männern dominiert zu sein scheint, ist Thoraya ein Beispiel dafür, warum Ägypten den weiblichen antiken Spitznamen “Baheya” hat – ein Frauenname, der großartig, herrlich und stark bedeutet. Mit 24 Jahren war sie bereits Projektmanagerin, sie hat einen Universitätsabschluss im Bereich der Luftfahrttechnik und seit 10 Jahren arbeitet sie mit SEKEM

Thorayas Elternhaus war von Disziplin und Verantwortung geprägt: ihr Vater, ein Soldat, und ihre Mutter, Hausfrau und verantwortlich für die Erziehung mehrerer Kindern. Als zweitälteste half sie, ihre Brüder und Schwestern zu betreuen, als sie selber noch ein Kind war. “Obwohl ich früh Verantwortung übernehmen musste, unterstützen mich meine Eltern sehr, sogar bei dem ungewöhnlichen Wunsch Luftfahrtwissenschaften zu studieren,” berichtet Thoraya.  

Nie den einfachsten Weg einschlagen

Thoraya wollte nie den einfachsten Weg einschlagen und entschied sich für ein Studium der Luftfahrttechnik, das als eines der anspruchsvollsten Studiengänge überhaupt gilt, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass es von Männern dominiert ist. Ihre Entscheidung beruhte zwar in erster Linie auf Interesse für die Inhalte, aber auch ein wenig darauf, die Norm in Frage zu stellen und die Rolle der Frauen in diesem Bereich zu stärken. Die SEKEM Mitarbeiterin war eine von zwei Studentinnen an der Fakultät und das einzige ägyptische Mädchen. Thoraya schloss ihr Studium mit hervorragenden Noten ab, erfuhr dann aber, dass sie,  aufgrund ihres Geschlechts, wohl nie die Gelegenheit haben würde, das jahrelang Studierte in die Praxis umsetzen zu können.

Wenn Thoraya Seada ihren Vater besuchte, der außerhalb von Kairo arbeitete, kreuzte ihr Weg stets die SEKEM Farm. Von Mal zu Mal wuchs ihre Neugierde für den offensichtlich besonderen Ort und damit auch der Wunsch bei SEKEM zu arbeiten. Und für SEKEM wurde rasch ersichtlich, wie hilfreich die Interessen und Kenntnisse der qualifizierten jungen Frau für die Abteilung für nachhaltige Entwicklung sein würden; in ihrer Abschlussarbeit beschäftigte sie sich beispielsweise mit der Reduzierung von Flugzeugemissionen. So begann 2009 Thorayas SEKEM-Karriere und 2014 wurde sie Projektleiterin von zwei Großprojekten: dem Carbon Footprint Center und der wichtigen Studie “The Future of Agriculture of Egypt”

Zwei starke Frauen. Thoraya und Auma Obama bei einer Veranstaltung des Weltzukunftsrates in SEKEM.
Zwei starke Frauen: Thoraya und Auma Obama bei einer Veranstaltung des Weltzukunftsrates in SEKEM.

“Ich kann mich nicht erinnern, dass Dr. Ibrahim jemals das Wort ‘Kollege’ verwendet hat – er hat immer  Bruder oder Schwester gesagt.”

„Ich bin sehr dankbar für das Wissen und die Erfahrung, die ich während meiner Zeit in SEKEM, insbesondere mit Dr. Ibrahim gesammelt habe. Ich erinnere mich, dass er an meinem ersten Tag, gleich nach dem Morgenkreis, rief: ‘Komm her, Mädchen’, und ich konnte nicht anders, als zu weinen – ich war überwältigt von seiner Ausstrahlung!” erinnert sich Thoraya. Seit diesem Erlebnis versuchte sie jede Gelegenheit wahrzunehmen, um von ihm zu lernen. “Er hat mir beigebracht, dass die Arbeit in der Landwirtschaft der wertvollste Beruf von allen ist und, dass wir Gottes Hand auf Erden sind”, erzählt Thoraya.

Ibrahim Abouleishs Vision und Ziele wurden dann zu Thorayas. Trotz ihres jungen Alters und dem Mangel an Erfahrungen übernahm sie die Verantwortung für viele Projekte, die der SEKEM Gemeinschaft, Ägypten und sogar der Welt dienen. Thoraya arbeitet nicht ausschließlich für einen höheren Status oder mehr Gehalt, sie will vielmehr die Zukunft der Menschen auf diesem Planeten gestalten und wahres Gemeinschaftsgefühl erfahren und fördern. “Ich kann mich nicht erinnern, dass Dr. Ibrahim jemals das Wort ‘Kollege’ verwendet hat – er hat immer  Bruder oder Schwester gesagt. Ich habe schnell gemerkt, dass ich hier eine zweite Familie gefunden habe,” sagt Thoraya.

Zwei Familien

Thoraya’s eigene Familie wuchs ebenfalls mit SEKEM. Ein Jahr nach ihrer Einstellung bekam sie ihren Sohn Moemen. „Ich erinnere mich, wie überrascht alle waren, dass ich noch drei Tage vor der Geburt gearbeitet habe. Aber meine Projekte sind nun mal auch meine Babys”, freut sich die engagierte SEKEM Mitarbeiterin. Seit der Geburt ihres zweiten Kindes, der Tochter Habiba, arbeitet Thoraya offiziell nur noch halbtags, was sich allerdings mehr auf die Bürozeiten bezieht als weniger auf ihre anhaltende Hingabe und ihr Engagement für ihre Aufgaben. „Ich nehme meine Familie bei jeder Gelegenheit mit nach SEKEM, damit sie meine ‘zweite Familie’ kennenlernen, von der ich die ganze Zeit so viel erzähle”, lacht Thoraya. Der achtjährige Moemen, die fünfjährige Habiba und die erst zweijährige Kenzy verpassen kein SEKEM-Fest. Da die Kinder aufgrund der Entfernung ihres Wohnortes nicht die Schule von SEKEM besuchen können, versucht die 32-jährige Mutter ihnen die alternativen Lehrmethoden Zuhause zu vermitteln: „Dr. Ibrahim hat mir beigebracht, was es heißt Eltern zu sein. Er hat gesagt: ‘lehre Deine Kinder Dich für Deine Liebe und als guter Mensch zu lieben und nicht ausschließlich für Deine Anwesenheit als Elternteil und weil Du ihnen Geschenke machst’. Diese Worte habe ich bis heute nicht vergessen.”

“Meine Projekte sind auch meine Babys.”

Ein Jahrzehnt ist eine lange Zeit für die Entwicklung eines Menschen. In zehn Jahren  SEKEM hat Thoraya vor allem eins gelernt: “Ich hatte weder großes Interesse noch ein Talent für Kunst. In SEKEM habe ich mich mit Musik, Tanzen oder Zeichnen beschäftigt und sogar Freude daran gefunden, sodass ich jetzt viel davon mit meinen Kindern praktiziere,” berichtet sie. Thoraya Seaada ist durch und durch eine ägyptische Powerfrau, die neben ihrer erfolgreichen Karriere, eine verantwortungsvolle Mutter ist und ein SEKEM-Juwel – indem sie es sich zur Aufgabe gemacht hat, Ibrahim Abouleishs Vision am Leben zu halten und weiterzutragen. 

Nadine Greiss

Dem Carbon Footprint Center
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