SEKEM carpentry Interview

Neues aus SEKEMs Holzwerkstatt: Zwei Schreiner und eine Schreinerin im Interview

Fausi Marti war 26 Jahre lang Dozent an der Berner Fachhochschule. Mittlerweile ist der Schweiz-Ägypter Rentner und berichtet auf seinem Blog (www.fausi.net) über Themen rund um seine ägyptische Heimat. 2012 hat er das Projekt zur Ausrüstung der Schreinerei-Lehrwerkstatt von SEKEM in die Wege geleitet. Im März besuchte Fausi Marti die SEKEM Farm und führte mit Angehörigen der SEKEM-Schreinerwerkstatt mehrere Interviews. Ausschnitte daraus können Sie hier in den SEKEM News lesen.

Amani, eine der ersten jungen Frauen, die eine Ausbildung zur Schreinerin macht

Interview mit Amani

Amani ist 16 Jahre alt und kommt aus einem kleinen Dorf nahe der SEKEM Farm. Zweimal wöchentlich geht sie in die Berufsschule und viermal in die Schreinereiwerkstatt.

Fausi Marti: Amani, wie bist Du auf die Schreinerausbildung gekommen und warum hast Du sie gewählt?

Amani: Sie haben im Dorf Informationen verteilt. SEKEM kannte ich bereits, da meine Schwester hier zur Schule geht. Bei mir im Dorf gibt es kaum Schreiner, und schon gar keine Mädchen im Schreinerberuf. Auch sonst sind die Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten sehr begrenzt. Da wollte ich etwas Ungewöhnliches wagen: Ich möchte Schreinerin werden und dabei besser sein als die Jungs!

Amani arbeitet in der Schreinerei.
Amani während der Arbeit in der Schreinerei.

F.M.: Wie empfindest Du denn das Klima in der Ausbildung zusammen mit den Jungs?

Amani: Sie sind in Ordnung, wie Brüder. Eigentlich benehmen sie sich gut – sie versuchen nur zu zeigen, was sie können, aber das tun wir Mädchen auch.

F.M.: Was haben Deine Eltern zu Deinem Berufswunsch gesagt?

Amini: Na ja, sie waren auf jeden Fall nicht wütend auf mich. Sie waren zufrieden, dass ich eine Lehrstelle gefunden hatte und haben mir freie Hand gelassen.

F.M.: Hast du nach einem halben Jahr Lehre das Gefühl, du hättest schon etwas gelernt?

Amani: Auf jeden Fall! Ich habe viel gelernt, und ich wende das Gelernte auch an. Zu Hause gibt es manchmal Reparaturen, die ich übernehme.

F.M.: Wo siehst du dich in zehn Jahren, wenn du 26 bist?

Amani: Ich möchte auf jeden Fall nach dem Lehrabschluss weiterlernen, vielleicht an einer höheren Fachschule im Bereich Schreinerei. Wenn ich die höhere Ausbildung abgeschlossen habe, möchte ich definitiv wieder zu SEKEM kommen. Ich könnte mir auch vorstellen, einmal Ausbildungsleiterin zu werden.

Mohamed, der Ausbildungsleiter in SEKEMs Schreinerei

Interview mit Mohamed

Mohamed ist sozusagen auf der SEKEM-Farm groß geworden. 1999 begann er die Lehre zum Schreiner und wurde 2010 Ausbildungsleiter.

F.M.: Mohamed, wie bist Du zur Schreinerausbildung in SEKEM gekommen?

Mohamed: In meinem Dorf wurde Werbung für die Ausbildung gemacht. Ich habe mich sofort gemeldet und wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Dabei habe ich offenbar gut abgeschnitten. Ich hatte keine Mühe mit dem Lesen der Plänen oder dem Zeichnen.

F.M.: Nun bist Du verantwortlich für die Ausbildung der zukünftigen Schreinerinnen und Schreiner. Findest Du das Konzept der dualen Ausbildung gut?

Mohamed: Es ist auf jeden Fall sinnvoll, zwei Tage Theorie zu unterrichten – es ist sogar noch sehr knapp. Wir verwenden daher einen der vier Werkstatt-Tage dazu, die Praxis gezielt mit der Theorie zu verbinden.

F.M.: Die Werkstatt ist eine Lehrwerkstatt, die aber zunehmend auch Produktionsaufträge übernimmt. Steigt da nicht der Druck zur Serienarbeit auf Kosten der Ausbildung?

Mohamed: Es gibt tatsächlich Phasen, in denen wir unter Produktionsdruck stehen, wenn zum Beispiel mehrere Dutzend Türen, Fenster, Pulte oder Stühle für die SEKEM Einrichtungen bestellt werden. Aber bis jetzt haben wir immer einen guten Ausgleich finden können. Zudem sind Aufträge ja auch gut für das Bewusstsein, dass wir sinnvolle Gegenstände herstellen und wirtschaftlich arbeiten müssen.

Mohamed, Leiter der SEKEM Schreinerei, im Interview.
Mohamed, Leiter von SEKEMs Schreinerwerkstatt, im Interview mit Fausi Marti.

F.M.: Seit anderthalb Jahren lernen neben den Jungs auch Mädchen in der Schreinerwerkstatt. Inwiefern hat dies das Klima verändert?

Mohamed: Das Klima hat sich sehr verbessert, es ist viel angenehmer geworden. Die Jungs strengen sich an, um den Mädchen zu imponieren, und sie sind auch weniger grob als früher. Auch die Mädchen wollen zeigen, was sie können.

F.M.: Wie geht ihr mit besonders talentierten Auszubildenden um?

Mohamed: Es gibt immer wieder Lehrlinge, die herausstechen. Einer hat nach dem Lehrabschluss sofort eine eigene Werkstatt eröffnet und will uns nun eine Maschine abkaufen. Wir geben solchen Auszubildenden erweiterte Aufgaben, indem wir sie zum Beispiel am Zeichnen neuer Möbel beteiligen, während die anderen nur nach Zeichnung ausführen. Wir beteiligen sie manchmal auch, wenn Privataufträge hineinkommen, was ihnen einen besonderen Anreiz gibt.

F.M.: Hat die Schreinerei neben den Arbeiten für SEKEM auch Aufträge von außerhalb?

Mohamed: Wir haben durchaus viele kleine Aufträge von außerhalb, allerdings über das Beziehungsnetz von SEKEM, nicht über den Markt. Wir fertigen Schränke, Tische, Stühle nach Maß, statten ganze Kinderzimmer oder Ferienhäuser aus oder übernehmen die Wartung von Firmenmöbeln.

Francis, ein engagierter Schreiner aus der Schweiz, der die SEKEM-Werkstatt unterstützt

Interview mit Francis

2014 ist Francis zum ersten Mal als Berater in die SEKEM-Schreinerei gekommen. Der Schweizer hat lange Zeit einen eigenen Schreinereibetrieb geführt, war Möbeldesigner und ist heute hauptsächlich als Ausbilder für junge Menschen mit sozialen Problemen oder Behinderungen tätig.

F.M.: Francis, wie bist Du zum Berater der SEKEM-Schreinerei geworden?

Francis: Das war eine glückliche Fügung. Nach Jahren der Verantwortung als Eigentümer einer Schreinerei wollte ich mich neu orientieren und habe mich stärker um die Ausbildung und Betreuung von jungen Menschen mit Problemen gekümmert. Ich hatte bisher ein sehr gutes Leben und möchte mit meinem Engagement anderen etwas davon abgeben. Da kam das Angebot aus SEKEM gerade zur rechten Zeit und heute kehre ich immer wieder gerne zurück, um mir die Entwicklung vor Ort anzuschauen.

Francis (rechts) im Gespräch mit Fausi Marti.
Francis spricht mit Fausi Marti über seine Arbeit in der SEKEM Schreinerei.

F.M.: Eigene Ressourcen verwenden an Stelle von teuren Importen, das ist einer Deiner Beiträge zur Neuausrichtung der Schreinerei.

Francis: Stimmt. Ägypten ist kein Holzland, aber es gibt durchaus Harthölzer wie zum Beispiel die Kasuarine. Auf der SEKEM Farm stehen Hunderte von diesen Bäumen, und auch im übrigen Ägypten sind sie verbreitet. Der Baum wurde aber für die Möbelproduktion lange nicht genutzt, da das Holz ist extrem hart ist und schnell einreißt. Das hing aber vor allem mit schlechtem und falschem Werkzeugen zusammen. Das haben wir geändert und nutzen heute die Kasuarine für den Möbelbau.

Neu in der SEKEM Werkstatt: Nutzung des ägyptischen Kasuarinen-Holzes

F.M.: Was sind denn die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Nutzung der ägyptischen Kasuarine?

Francis: Da gibt es eine ganze Abfolge von Schritten, die wir optimieren mussten. Zunächst gilt es, die Bäume im Winter zu schlagen, wenn sie nicht saftführend sind. Dann müssen die Stämme ein bis zwei Monate im Schatten ruhen und genügend benetzt werden. Beim Einschneiden ist wichtig, dass das Werkzeug perfekt gewartet und geschärft ist. Und dann müssen die Hölzer 10 bis 12 Monate trocknen bevor die zusammengefügt werden dürfen.

Kasuarinen Holz in SEKEM
Das Holz der Kasuarinen benötigt eine besonders sorgfältige Handhabung.

F.M.: Die SEKEM-Schreinerei steht beim Vermarkten ihrer Produkte noch ganz am Anfang. Was ist da zu tun?

Francis: Eine wichtige Stütze ist die systematische Dokumentation aller Erzeugnisse: Fotos, Zeichnungen, Beschriftungen. Das ist Grundlage für Werbemappen, in denen wir gleichzeitig die Stärke unserer Schreinerei hervorheben können: Wir schreinern nach Maß und gehen auf die Kundenwünsche ein! Die Leistungen der Schreinerei lassen sich auch von Mund zu Mund kommunizieren: Ausbilder und Lehrlinge als Werbeträger für ihr eigenes Schaffen. Denkbar sind auch Besuchstage. Wir müssen intensiv darüber nachdenken, wie die SEKEM-Schreinerei nicht nur als Lehrwerkstätte, sondern auch als Produktionsbetrieb nach außen besser sichtbar wird.

Sensibilität für den Umgang mit Holz fördern

F.M.: Du traust der Schreinerei einiges zu?

Francis: Natürlich gibt es noch einen beträchtlichen Abstand beispielsweise im Vergleich zur Lehre in der Schweiz. Aber das ist nicht unser Fokus. Ich stelle fest, dass das Ausbildungsteam in den letzten Jahren zusammengewachsen ist und in einem guten, freundschaftlichen Klima arbeitet. Das ist eine große Chance für die nächsten Jahre. Bis jetzt haben viele Lehrlinge keine echte Sensibilität für das Schreinern, sie wollen einfach etwas lernen und einen Abschluss haben. Unsere Aufgabe ist es, über die Vermittlung von handwerklichen Fähigkeiten hinaus, die Freude am Holz zu wecken, und die Neugier für die Möglichkeiten dieses wunderbaren Materials.

Der Schreiner Francis aus der Schweiz unterstützt die SEKEM Schreinerei.
Der Schweizer Schreiner Francis hat in SEKEMs Schreinerei viel bewirkt.

F.M.: Wie soll denn ein tieferes Verständnis für die Arbeit mit Holz entstehen?

Francis: Das dritte Lehrjahr lässt sich noch besser gestalten. Dazu gibt es derzeit zwei Projekte. Das erste sieht eine individuelle Abschlussarbeit vor. Da geht es um die Herstellung eines Möbels nach vorgegebenem Plan, bei besonderen Fähigkeiten auch nach eigenem Entwurf. Das zweite Projekt ist ein zweiwöchiges Praktikum in einer großen ägyptischen Möbelfabrik. Dort erfahren die Auszubildenden den Arbeitsalltag in einem reinen Produktionsbetrieb, der gut, schnell und kostengünstig produzieren muss. Kreativität und solides Handwerk, das ist das Ziel, dem wir uns Schritt für Schritt nähern.

Die Interviews führte Fausi Marti

Alle Bilder: Copyright Fausi Marti

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